Bedingungsloses Grundeinkommen für Kohlekraftwerksbetreiber!?

Im letzten Monat hat die RWE-Aktie einen Wert erreicht, den sie zuletzt vor fünf Jahre hatte, und das liegt nicht daran, dass Kohlekraftwerke neuerdings wieder wirtschaftlicher werden. Ganz im Gegenteil: 42 % aller Kohlekraftwerke schreiben schon jetzt rote Zahlen und in den nächsten zwanzig Jahren wird dieser Anteil auf fast zwei Drittel steigen.

Vielmehr ist der Grund für den Kursanstieg sehr wahrscheinlich der Entwurf des Kohleausstiegs-Gesetzes, das den Kohleunternehmen milliardenschwere Entschädigungen zusagt. Rund 40 Milliarden Euro sollen an die Unternehmen gezahlt werden, damit sie bis 2038 ihre Kraftwerke vom Netz nehmen, und das, obwohl fast die Hälfte der Kraftwerke schon jetzt nicht mehr rentabel ist. Fraglich ist also, wie diese Summen gerechtfertigt sind, denn wenn man davon spricht, die Unternehmen zu „entschädigen“, sollte es auf der anderen Seite auch einen Schaden geben, der diese Milliarden begründet.

Es wäre billiger, RWE zu kaufen …

Wenn man im Netz zum Thema Kohleausstieg recherchiert und sich eine Handvoll Artikel durchliest, findet man schnell heraus, wie die aktuelle wirtschaftliche Situation von Kohlekraftwerken und den Betreibern aussieht. Begriffe wie „abgeschrieben„, „unrentabel“ oder „Verlust“ legen nahe, dass sich die Braunkohlekraftwerke auch ohne den Kohleausstieg auf einem schlechten Weg befinden. Laut dem juristischen Gutachten „Kein Geld für alte Braunkohlekraftwerke“ von Client Earth hatte die deutsche Braunkohleflotte im ersten Halbjahr 2019 einen Verlust von 664 Mio. Euro zu verkraften. Selbst Analysten von RWE haben festgestellt, dass der Marktwert konventioneller Kraftwerke im negativen 4-Mrd.-Bereich liegt.

In den nächsten zwei Jahren wird ein kW aus einem alten Braunkohlekraftwerk voraussichtlich 213 € Verlust verursachen, trotzdem verlangt der RWE-Vorstandsvorsitzende 1,2 bis 1,5 Mrd. Euro pro abgeschaltetem Gigawatt als Entschädigung. Der mit diesem Vorschlag entstehende Preis für einen kompletten Kohleausstieg würde bei 56 bis 70 Mrd. Euro liegen. Dieser Preis liegt also sehr wahrscheinlich in einer falschen Dimension.

Bei weltweit 35 Prozent aller Kohlekraftwerke wäre es für die Kohlekraftwerksunternehmen sogar wirtschaftlicher, gleich große Strommengen mit regenerativen Technologien zu erzeugen, so die Initiative Carbon Tarcker. (Vgl. Quelle 2)

Mit dem Geld sollen auch die Angestellten entschädigt werden, die Ihren Job verlieren und das scheint vernünftig. Andererseits sind in der Solarindustrie tausende Jobs gestrichen worden und im Vergleich zum Bestand Anfang 2012 machen diese Streichungen mehr als die Hälfte aller Jobs dieser Branche aus. Die Windindustrie scheint mit ähnlichen Problemen kämpfen zu müssen, im Jahr 2017 wurden hier 27.000 Stellen abgebaut. Wo bleibt der Aufschrei, wo die Hilferufe und wo die Entschädigung für eben diese Branchen, die ja immerhin unsere Zukunft retten sollen? Da bekommt man das Gefühl, dass die Kohleindustrie in einer günstigeren Position zu stehen scheint, wenn sie Forderung stellen können und wahrscheinlich auch durchgesetzt bekommen. Auch wenn sich letzteres nicht mit Gewissheit behaupten läßt, so wirkt das Ganze schon sehr „falschherum“…

Beim Kurs der RWE Aktie von Anfang 2019 konnte man den Wert des Konzerns auf ungefähr 13 bis 15 Mrd. Euro schätzen, weswegen Client Earth nahelegt: „[Es wäre] erheblich billiger für den Staat […], RWE komplett zu kaufen und die Kraftwerke zu schließen.“ (Zitat siehe Quelle 2) Beim aktuellen Aktienkurs kann man den Börsenwert zur Zeit auf 19,54 Milliarden Euro festlegen. Der Kursanstieg ist demnach schon deutlich sichtbar und trotzdem ist der Vorschlag sinnvoll, wenn man 40 Mrd.Euro mit fast 20 Mrd. vergleicht.

Datteln statt um zu satteln?

Die Preise fossiler Energieträger steigen seit vielen Jahren stetig und dieser Trend wird sich zweifellos fortsetzen. In den letzten sieben Jahren hat sich der Preis  von Steinkohle um 80 % erhöht und der von Rohöl sogar verdoppelt. Wenn fossile Brennstoffe also  unwirtschaftlicher werden und wir es unbedingt schaffen müssen, nicht mehr als eine bestimmte Menge dieser Stoffe zu verbrennen, um unser Klima noch retten zu können, sollte zweifellos so schnell wie möglich umgesattelt werden. Zusätzlich dazu ist der Umstieg auf erneuerbaren Energiequellen für Kohlefirmen sogar ein gutes Geschäft, wie Carbon Tracker bereits verrät, denn diese Quellen stehen schon jetzt zu langfristig konstanten Preisen zur Verfügung, was sich in Zukunft nochmal um 40 % verbessern soll. Wenn Kohlekraftwerke schon heute  zu einem großen Teil Verluste generieren und dies sogar zunehmen soll, scheint ein Umstieg auf erneuerbare Energietechniken der Firmen doch im allgemeinen Interesse …

Stattdessen geht diesen Sommer das neue Kraftwerk Datteln 4 von Uniper ans Netz. Wo sich doch alles gerade um den Kohle„ausstieg“ dreht, sendet dieser „Einstieg“ ein völlig falsches Signal. Mit dem Kraftwerk legt man sich übrigens auf weitere 40 Jahre fossile Stromerzeugung fest. Gerade deswegen ist es verständlicherweise schon zum Ziel einiger Proteste geworden und wird auch in den Medien zu Recht stark kritisiert.

Überraschenderweise kann man das Ganze auch aus einer grüneren Sichtweise sehen. Denn im Gegensatz zu vielen alten Kraftwerken ist Datteln 4 hochmodern und kann dadurch Strom wesentlich effizienter erzeugen. Ob es sogar weniger CO2 ausstößt, ist noch nicht sicher, aber wenn dieses Kraftwerk ein altes ablöst und dabei mehr Strom bei genauso viel oder weniger CO2 erzeugt, ist das auf keinen Fall ein Schritt zurück. Denn auch wenn wir unseren CO2-Fußabdruck stark verringern und dafür am liebsten so viele Kraftwerke wie möglich abschalten wollen, müssen wir trotzdem unseren Energiebedarf decken.

Einen Ausblick auf den Stromzähler …

Gerade diesen Energiebedarf dürfen wir beim „Abschalten“ nicht vergessen. Im Diagramm sieht man die aktuelle Nettostromerzeugung Deutschlands und zusammengerechnet machen die erneuerbaren Energiequellen bereits 51 % aus. Unseren aktuellen Strombedarf können wir also schon über die Hälfte aus erneuerbaren Energiequellen decken. Auf der einen Seite wächst demnach die Erzeugung von regenerativer Energie auf der anderen Seite jedoch auch unser Bedarf.

Im Sinne des Klimas verändert sich unser Alltag  nämlich in eine Richtung, die in Zukunft noch wesentlich stromintensiver werden wird. Offensichtlich sind erstmal Elektroautos, doch auch E-Bikes und E-Scooter sind den meistens schon ein Begriff, und wenn man bedenkt, wie schnell diese Bereiche in den letzten Jahren aufgetaucht sind, ist es nur eine Frage von Monaten, welche neuen „E“-Innovationen die nächsten Jahre mit sich bringen.

In Zukunft müssen wir also nicht nur die Lücken alter Kohlekraftwerke füllen, sondern auch unseren steigenden Energiebedarf mit grüner Energie decken. Und wenn uns allein der Ausstieg aus einem Sektor vielleicht über 40 Milliarden Euro kosten wird, wie hoch wird dann die gesamte Rechnung sein, die uns unsere Zukunft stellt?

Leon Maut, 13.02.20200

Quellenangabe:

Aktienkurs: https://www.boerse-online.de/aktie/rwe-aktie & https://www.finanzen.net/aktien/rwe-aktie

Quelle 1: https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/energie-42-prozent-der-kohlekraftwerke-weltweit-machen-verluste-a-1241070.html

Quelle 2: https://www.documents.clientearth.org/library/download-info/rechtsgutachten-kein-geld-fur-alte-braunkohlekraftwerke/

Quelle 3: https://www.unendlich-viel-energie.de/themen/wirtschaft/kosten

Quelle 4: https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/energie-42-prozent-der-kohlekraftwerke-weltweit-machen-verluste-a-1241070.html

Quelle 5: https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/datteln-4-verdattelte-zeit-a-4983d6f4-c5cb-4db1-bfee-a1092651dc7a

Quelle 6: https://m.faz.net/aktuell/wirtschaft/agenda/exklusiv-in-der-f-a-z-jede-dritte-stelle-in-der-solarindustrie-ist-weg-12772909.html

Quelle 7: https://www.welt.de/wirtschaft/article198299117/Windindustrie-In-einem-Jahr-26-000-Arbeitsplaetze-abgebaut.html

Klimawandel aus geologischer Sicht: http://www.structures.uni-jena.de/igwstkmedia/Lehre/BGEO1_1_EinfGeowiss/Klimawandel_UK200106.pptx

Diagramm: auf Vorlage von https://www.energy-charts.de/

Bilder: Pixabay